Spielgerät

Ich kenne einen ausnehmend gewinnenden Mann. Er betreibt diese Papeterie in unserer Gemeinde, alle Kinder kennen ihn. Es ist in all dem Plastik eine Erhellung, ihm zu begegnen.
Heute Morgen hatte ich wieder die Gelegenheit.

Es ist so, dass unsere Tochter nun ja seit geraumer Zeit das ihr zugeteilte Taschengeld addiert, absondert und die jeweils passende Gelegenheit abwartet, um zuzuschlagen.
Wie das so ist, als Elternteil, das ich ausgewogen und authentisch aufzutreten suche, dabei doch gleichzeitig die Autarkie und Selbstwirksamkeit des Kindes heben möchte, so bewege ich mich in concreto in der Gestattung an Kaufverträgen hin und her mäandernd zwischen der Ermunterung, ruhig selbst zu erfahren, wie es ist, das Gefühl mit dem ausgegebenen Geld und andererseits der Warnung vor der Vermüllung der Heimstätte und dem sittlichen Verfall im Innern.

Ich konnte es nicht erkennen – was man nicht kennt, kann man nicht sehen, nicht wahr?
Meine Tochter schrie regelmäßig, „da!“ und „dort!“, wenn ich den Wagen etwa durch das oberbayerische Hinterland lenkte, weil dort und da eben wieder ein Jugendlicher, wie sie sie nennt, ein gewünschtes Spielgerät bediente.

Ich konnte es nicht sehen.
Es war nicht zu erkennen für mich.
Einmal war die Geschwindigkeit zu hoch, einmal das Auge zu entfernt, das mütterliche jedenfalls, kurz: meine Tochter wuchs und wuchs, bald musste sie den Kopf einziehen, wenn sie in unsere Wohnung zu treten kam, weil der Wunsch sie aufblies, wie einen Giganten.
Es würde nicht mehr lange dauern und sie musste bersten, nahm ich an und hoffte, einerseits immerhin, sie möge bald zu dem Erwerb des gewünschten Spielgeräts kommen.

In meiner Hoffnung um ihr Wohl und Wehe hatte ich also in der Zwischenzeit abgelassen von meinen Kundgebungen, die ihr Richtung und Halt geben könnten,
und nahm voll Kurs auf, sie in ihrem Kauf zu unterstützen.
Fuhr sie einmal zu besagter Papeterie. Ermunterte sie ein anderes Mal, vorbei zu schauen.
Dort wurde sie vertröstet: die Lieferung an Geräten dauerte an, lag außerhalb der vereinbarten Lieferfrist –
sie, am Ende der Kette, Opfer der fehl gegangenen Terminierung, verblieb, hängenden Riesenschädels.
Ich muss annehmen, die Scham bei den Verantwortlichen blieb aus.

Der nächste Ortstermin, in der Frühe, bei Ladenöffnung, meine Tochter tritt ein, zeitgleich mit dem Karton, in welchem die Geräte des Begehrens. Ich atme auf, die ich halb starr vor dem, was geschehen könnte, hinten her gestiegen war.

Die Dame, welche liiert mit dem Papeterie-Betreiber, leert die Lieferung auf den Tresen. Meine Tochter zeigt diese großen Augen im Gesicht, ihrem großen Gesicht nun. Ich wage, mich zu entspannen, beginne klein, mit den Fingerendgelenken.

Es ist ein Segen! Meine Tochter entscheidet sich rasch für das Modell ohne Licht im Innern, spart damit fünfzig Prozent des Kaufpreises und erwirbt das Gerät, ich genehmige. Natürlich.

Zuhause dann geht sie beinahe aufrecht über die Türschwelle, Gott, es wirkt!, und setzt sich auf den Boden.
Sie strahlt jetzt. Ihre Hand macht, so geschickt, so geschickt, die Tricks der Jugendlichen nach. Ich, meinerseits, schwelle nun an vor Stolz.
Hier sitzt es, mein Kind, den „Fingerspinner“ in den Händen.

Insgesamt, ich bin so stolz.
Auf den Schöpfer, den Hersteller, die Lieferkette, das Leben,
das es so etwas zulässt.
Ernüchterung, Enttäuschung, Zukunftssorgen? Gott bewahre!
Sie ist fest in den Händen von Kinderchen und Jugendlichen,
die die Zeichen der Zeit erkannt haben.
Dreht nur Eure Scheibchen, dreht sie geschwind!

Gehoben, von diesem Gedanken, steige ich in den Keller, bediene mich an unserem Vorrat an Industrie-Essen und klatsche es, wieder in der Küche, auf unsere Teller.
Der Ritus mag uns mit uns selbst verbinden.
Erdung schenken, wo das Abheben drohte, uns fort zu reißen.

Danke, Zeitgeist.

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© 2017 Lisa Marie Binder-Raupenstrauch
Die Verbreitung dieses Textes bedarf einer
ausdrücklichen Genehmigung.

 

Weil`so schön ist, lese ich hier vor (Viel Ernst! Viel Vergnügen!):

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