Das Plopp fürs Gefühl

Das Plopp füs Gefühl

Sehr geehrte Leserschaft.
Heute wieder ein Thema von zeitloser Brisanz. Bereits seit Anbeginn der menschlichen Zeitrechnung von Relevanz: Gefühle am Arbeitsplatz. Dem Arbeitsplatz, wie er steht, im Wandel der Zeit.

Bei Ihnen mag das so sein: Sie bekommen Gefühle, sie seien gar stark – weil die Dame von Begehr Sie heute Morgen einen Moment zu lange ins Visier genommen / der Herr am Schalter doch irritierend edel im Profile / Sie über ihre eigene Ordnung in Tränen ausbrechen / jemand für Ihr Begehren einfach nicht erreichbar / die Kinder taub auf beiden Ohren, den guten oder: weil Sie Post bekamen.

Post im Postfach, aber nicht auf der Post. Das Gelbe ist verschwunden. Das Posthorn mausetot. So ist das heute. Ihr Gemahl, eben noch verspielter Natur, schon ein Wrack, dem Antlitze nach? Ihre Freundin, bester Dinge, dann der kürzeste Blick auf ihr zuckendes Gerät – vorbei die Freude?

Sie sind da anders. Durchschauen, was hier vonstatten geht. Mag die Welt sich auch im Takt des Nachrichtenzuschwungs drehen, den wild gewordene Kreaturen mit launiger Betriebsamkeite füllen – Sie selbst sind hier gewappnet. Teilen sich ihre Zeiten ein. Trennen glasklar zwischen Arbeit und Muße.

Und dann erwischt es sie doch. Ein klickendes Geräusch, vielleicht in ihrer Brust. Markiert ihren Zustand. Denn sie haben gelesen. Ein Überfall war es – sie konnten nichts tun. So weit der Status quo, im Falle des Falles. Doch wie gehen Sie damit um? Schreien Sie ihn heraus nun, Ihren Schmerz? Jaulen Sie stark, ein Wälzen auf der Fliese?

Ich sehe Sie nicken und freue mich sehr. Richtig so, Sie tun das Rechte. Raum ist es, was Ihre Gefühle brauchen. Sie sollten Sie stehen lassen und sich hüten vor falscher Scham! Bei Ihnen ist alles in bester Ordnung. Bald gehen Sie über zum nächsten TOP. Vielleicht ein jugendlicher Dab nebenbei, das lockert zusätzlich.

Und dann setzen Sie sich und antworten, reagieren auf diese Post. Am Handy, gerne am Tablet, warum nicht am Rechner? Ruhig gleiten ihre Finger über die Tatstatur, sofern sie nicht stochern, auf der glatten Fläche. Sie finden besonnene Worte. Hervorragend! So gleiten auch Sie durch Ihr Leben, in Harmonie und Anmut. Ich gratuliere.

Gehört habe ich, so viel sei verraten, es gibt andere Fälle. Exemplare menschlicher Gattung, die das Wälzen verlernten. Die den Urschrei fürchten. Die traurig die Unterlippe verziehen, wenn die Gefühle für einen Moment aus ihnen heraus fahren, ohne Erlaubnis, ohne Zoll. Die in Anbetracht ihres Gefühlsreichtums in wüste Einöden kippen. Betreffend ihres Anstands, ihrer Moral, ihres Wertes im Ganzen.

Grausam, liebe Leserschaft, ist dies. Schätzen Sie sich glücklich, auf der anderen Seite zu stehen. Hoch ist der Preis, den sie zahlen, diese Menschen. Verlustig geht, im Mindesten, zu viel des vormals gut kolorierten Haars. Nur gesprochen von dem, was im Außen zu sehen. Die Wände des Magens, die Zotten des Darms, sie bleiben hier ausgeklammert.

Vonnöten ist es, zu sprechen über die Pein, die diesen Menschen widerfährt in ihrem Sein:

Da steht es nun, das Menschelein,
Alleine und erschrocken.
Die Hand die schale Nachricht trägt,
Die es so konnte schocken.
Erreichte es mit leisem Plopp.
Blickt klein und ganz vorsichtig.
Hört seinen Atem schwellen an,
Doch gleich nimmt es sich wichtig.
Bleibt noch gefasst,
Doch draußen vor dem Wichte,
Wartet schon, mit gier`gem Maul,
Das Drama der Geschichte.

Schon geht`s bergab!
Ein kräft`ger Sog sich einstellt,
Das Menschlein siehts`s und schließt das Aug,
Damit sich wappnen mag.
Fährt in es – es sieht nun das Grauen:
Die Wog` der Kraft, breitet sich aus,
Es muss es mutig schauen.

Und oh!, es folgt ein Bersten,
Ein Platzen voller Kraft.
Zerreißt ihm wild den Anstand,
Hat ihn nun doch geschafft.
An Halten nicht zu denken,
Im braven Menschelein,
Die Welle seiner Kraft
Reißt seine Dämme ein.
Wo eben noch mit Muß regiert,
Bringt Rohheit lauten Schalle.
Es reißt es fort, mit kräft`ger Hand,
Im Strome seiner Galle.

Will oben bleiben, nicht ertrinken,
In dieser weißen Gischt.
Weiter ringen, Edles bringen,
Dem Sein sich stellen, schlicht.

Jetzt die Replik?
Mit weisem Mut sich stellen?
Manierliche Erwiderung,
Ohne grell zu bellen?

„Nutz die Vernunft!“, hallt laut es da,
Zwingt`s Händelein zur Stille.
„Wer sich verritten auf der Wog,
Muss sparen an der Silbe.
Das Haar, voll Schaum noch,
Gleicht dem Finger,
Der warnt vor üblen Kriegen,
Sinniere besser lang genug
Und mach es nicht noch schlimmer.“

Zu hoffen hat`s, wieder einmal,
Die Lippen zart geschürzet,
Auf Ebbe und den Föhn im Tal:
Hinfort zu blasen den Krawall.
Zu klären wieder seine Sicht,
Die sich vernebelt hatte,
Beenden für heut, die Zornesschicht,
Für Glück im Bauche satte.

Für das Hör-Erlebnis, bitte sachte den Pfeils betätigen.

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© 2017 Lisa Marie Binder-Raupenstrauch
Die Verbreitung dieses Textes bedarf einer
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